Copyright Dezember 2010 katholische Kirchengemeinde St. Agnes - Tonndorf
 
 
 
 
 
  Gezeichnet: G. Jakubik
 
 
 
 
  Brief des Erzbischofs!
 
 
  Liebe Schwestern und Brüder!
  An zwei Sonntagen im Jahr kann die liturgische Farbe rosa sein; das Violett der Bußzeiten 
  in der Fasten- und Adventszeit wird bereits im Sinne der Vorfreude durch die weiße Farbe 
  himmlischer Vollendungsfreude am vierten Fastensonntag („Laetare!“ – „Freu Dich!“) und 
  am dritten Adventssonntag („Gaudete!“ – „Freut Euch!“) etwas lichter und heller – eben 
  rosafarben. Gegen Schluss des Hochamts am vergangenen Laetaresonntag überreichte 
  ich unserem Erzbischof Stefan Heße zum Dank und anlässlich seines sechsten 
  Bischofsweihetages eine golden verzierte Rose; denn eine Goldene Rose wird als 
  Auszeichnung des Papstes an Personen, Staaten oder Wallfahrtsstätten verliehen, die 
  sich um die katholische Kirche besonders verdient gemacht haben. Diese päpstliche 
  Auszeichnung besteht freilich aus vergoldetem Silber. Die Rose steht dabei für Jesus 
  Christus, wobei die Dornen seinen Leidensweg symbolisieren und das Gold seine 
  Auferstehung – so kam der vierte Fastensonntag unmittelbar vor der Passionszeit zu 
  seiner besonderen Farbe. Dem Laetaresonntag entsprechend, trug der Erzbischof ein 
  rosa Messgewand  – mein eigenes Primizgewand -, das die Vorfreude auf Ostern 
  symbolisiert.
  Einen „wetterfesten Glauben“ wünschte Erzbischof Stefan Heße in seiner Predigt der 
  neuen Pfarrei „Sankt  Paulus – Apostel der Völker“. Unsere neue Pfarrei  mit mehr als 
  20.000 Katholiken war nach fünf Jahren Vorbereitungszeit, in die auch die bitteren 
  Schulschließungen und die Immobilienreformen fielen, mitten in der seit exakt einem Jahr 
  grassierenden Pandemie zu Beginn des Pontifikalamts in unserer Billstedter Kirche St. 
  Paulus feierlich gegründet und ich zu ihrem Pfarrer ernannt worden. Sie umfasst neben 
  St. Paulus auch die ehemaligen altehrwürdigen Pfarreien St. Joseph in Wandsbek und St. 
  Agnes in Tonndorf. Der 14. März war zugleich der sechste Weihetag  Heßes, der im März 
  2015 sein derzeitiges Bischofsamt antrat.
  Mit „wetterfest“ meinte der Erzbischof einen Glauben, der auch in Krisen gelebt wird. 
  Krisen seien etwas Normales; jeder mache sie durch, auch ein Bischof. Und die Bibel sei 
  geradezu ein Buch der Krisen. Es komme darauf an, diese anzunehmen. In diesem 
  Zusammenhang verwies er auch auf die Krise, die die Gesellschaft aufgrund der Corona-
  Pandemie durchmache, sowie auf die „dicke Krise“, in der sich die katholische Kirche 
  momentan befinde. Es werde auch nicht so sein, dass wir die Krise erst einmal lösten, 
  und dann gehe es einfach so weiter, führte der Erzbischof aus. Die Kirchen und 
  kirchlichen Einrichtungen wie Pfarrsäle, Schulen oder Kitas bezeichnete Heße überdies 
  als Schutzräume, die von Menschen in Krisen aufgesucht werden könnten. Er sei deshalb 
  froh, dass die Kirchen tagsüber auch weiter zum Gebet geöffnet seien.
  Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher hatte eine Videobotschaft an die neue 
  Pfarrei gerichtet.  Tschentscher dankte den nun zusammengeschlossenen Pfarreien  
  darin, dass sie sich so „engagiert und im christlichen Sinne für das Gemeinwohl in 
  Hamburg einsetzen“. 
  Niemand ahnte, dass dies das letzte Pontifikalamt unseres Erzbischofs sein würde; nur 
  vier Tage später bot er nach Veröffentlichung des Kölner Gutachtens dem Papst seinen 
  Amtsverzicht an und schrieb uns: „Ich habe mich an Papst Franziskus gewandt und ihm 
  meinen Verzicht auf das Amt des Hamburger Erzbischofs angeboten. Bis zu einer 
  endgültigen Entscheidung habe ich darum gebeten, mich von meinen Leitungsaufgaben 
  zurückziehen zu dürfen. Bis dahin wird Generalvikar Ansgar Thim vertretungsweise diese 
  Aufgaben weiterführen. Weihbischof Horst Eberlein übernimmt die bischöflichen 
  Aufgaben. Ich weiß sie bei ihnen in den guten Händen.
  Meine Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen. Ich halte sie allerdings für die einzig 
  angemessene und sinnvolle. Deswegen habe ich sie bewusst noch am Tag der 
  Veröffentlichung des Gutachtens getroffen. Ich weiß heute nicht, wie mein Weg als 
  Mensch, als Christ und als Seelsorger nun weitergehen wird. Ich habe keinen Plan B in 
  der Tasche.“
  Dass ich nach zwei Rücktritten von Bundespräsidenten und einem Papstrücktritt nun auch 
  noch einen Rücktritt des eigenen Metropolitanerzbischofs erleben würde, kam mir nie in 
  den Sinn. Die in der letzten Bischofspredigt angesprochenen Krisen überlagern sich ja 
  massiv: Pandemie; in Hamburg steigende Inzidenzwerte und ein zweites Ostern mit 
  massiven Einschränkungen und Existenzängsten; in unserer Pfarrei im Hamburger Osten 
  mit über 100 Nationen und manchen Brennpunktvierteln herbe psycho-somatisch-soziale 
  Belastungen; eine mit sich selbst beschäftigte Kirche inmitten der Aufarbeitung von 
  Machtmissbrauch; ein Erzbistum Hamburg ohne Priesterweihen, aber mit erheblichen 
  Finanznöten; ein Superwahljahr, das mit der Aufdeckung sich bereichernder 
  Unionspolitiker begonnen hat. Kurzum: Vertrauensverlust.
  Der um Amtsverzicht bittende Hamburger Erzbischof hat als letzte Pfarrei unsere Pfarrei 
  gegründet: „Sankt Paulus, Apostel der Völker“. In dieser neuen Pfarrei leben Katholiken 
  aus mehr als 100 Nationen. Unter den Nicht-Deutschen sind am stärksten Polen, 
  Vietnamesen, Kroaten, Portugiesen, Italiener, Spanier und Ghanaer vertreten. Diese 
  Vielfalt kommt auch in dem Namen der Pfarrei zum Ausdruck, genauer: dem Zusatz  
  „Apostel der Völker“ –  als solchen bezeichnete sich Paulus selbst.  Gern pflege ich den 
  Brauch, in jeder Klasse der St.- Paulus- Schule eine Weltkarte aufzuhängen, um in all die 
  Länder eine bunte Stecknadel zu stechen, in die hinein wir durch die Stammbäume der 
  Schulkinder Beziehungen haben. Wenn in jedem Land eine Nadel steckt, wird die ganze 
  Welt unser schulisches Zuhause sein. In der Kirche gibt es keine Ausländer. Gottes Geist 
  vereint uns mit den unterschiedlichsten Charismen eines jeden Geschöpfes zu einer 
  Weltenfamilie.
  Mein jesuitischer Lehrer für Paulus war Norbert Baumert. „Paulus neu gelesen“ – mit 
  dieser Reihe legte Norbert Baumert seine in über 45 Jahren erarbeitete, veränderte Sicht 
  der Paulusbriefe in einer Gesamtschau vor „Weg des Trauens“ – dieser Titel fasst 
  programmatisch den Inhalt paulinischen Denkens zusammen: Gott kommt in Christus 
  dem Menschen mit „Trauen“ entgegen und lockt ihn auf diese charismatische Weise, auch 
  ihm zu „trauen“. Dieses gegenseitige „Trauen“ ist als Übersetzung des griechischen 
  Urtextes umfassender und personaler als das eher sachhafte ‚Glauben’ (wie man das 
  griechische pístis gewöhnlich übersetzt) und wird zuallererst von Gott ausgesagt. Die 
  Briefe des Völkerapostels entwickeln dieses ‚Prinzip Trauen’ im Rahmen von 
  Auseinandersetzungen, wobei offensichtlich gerade die ‚Ungeschütztheit’ dieses Trauens 
  neubekehrte Heidenchristen davon abhält, sich auf diese Weise mit Haut und Haar auf 
  Gott einzulassen: sie sind ‚miss-trauisch’, und einige versuchen, sich in einer hermetisch 
  abgeriegelten Panzermentalität – die übrigens zu Ängsten, Verschwörungstheorien und 
  Nationalismen führt (!) – ein dubioses und esoterisches frommes System zurechtzulegen. 
  Dies bedeutet auch, dass die „Misstrauenden“ vor dem täglichen Sterben und Auferstehen 
  mit Christus ausweichen (s. 1 und 2 Kor) und sich somit letztlich der bedingungslosen 
  Liebe Gottes nicht anvertrauen.  
  Ein Pauluspatronat will den Weg des Trauens gehen. Widerfahrnisse vieler zeitgleicher 
  Krisen des Misstrauens erschüttern uns bis ins Mark. Wem können wir noch trauen? Da 
  fügt es sich, dass wir mit dem Gott, dem Paulus traute, hinübergehen vom Ölberg zum 
  Kreuz hinein in den Garten der Auferstehung: Dir, Gott, trauen wir, weil Du uns traust.
   
  Gesegnete Passionszeit wünscht von Herzen
  Euer Felix Evers.